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„Wir waren offen zu helfen“

Interview mit Darya Uthe, Sozialarbeiterin im Migrationssozialdienst (MSD) im Diakoniewerk Simeon.

Darya Uthe steht auf dem Dach der Migrantensozialberatung.

Darya Uthe berät Geflüchtete aus der Ukraine beim Ankommen in Deutschland.

Darya Uthe kommt ursprünglich aus Belarus, spricht russisch und hat Soziale Arbeit an der Fachhochschule Potsdam studiert. Sie arbeitet seit zwei Jahren im Migrationssozialdienst (MSD) beim Diakoniewerk Simeon in Neukölln. In Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt Neukölln berät der MSD seit Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine in Berlin ankommende Geflüchtete.

Darya, du hast in den vergangenen Monaten vielen Geflüchteten aus der Ukraine geholfen und sie beim Ankommen in Berlin beraten. Was waren dabei deine Aufgaben? Wie bist du dazu gekommen?  

Ja genau, da ich Russisch spreche, haben wir vereinbart, dass ich mehr für Geflüchtete aus der Ukraine da sein werde. Wir haben eine Erstberatungsstelle im Bezirksamt Neukölln eröffnet. Ich war dort einmal die Woche, immer dienstags, 7 Stunden non-stop Beratung.

Das Ganze basiert auf einer Vereinbarung zwischen dem Bezirksamt Neukölln und dem Diakoniewerk Simeon. Die Sprachkenntnisse und die Kompetenzen waren ja vorhanden. Und wir waren offen zu helfen und ein Angebot zu schaffen.   

Wie hast du die Situation im Bezirk erlebt?  

Am Anfang war es nicht so stark besucht, aber jede Woche kamen dann mehr und mehr Menschen in die Beratung. In der heißen Phase kamen dann vielleicht um die 30 Menschen am Tag. Erst einmal ging es viel um eine erste Orientierung. Wo bekomme ich was, welches Amt ist für was zuständig? An wen kann ich mich wenden? Neben uns vom Migrationssozialdienst waren noch ImPuls e.V. und das Deutsch-Arabische Zentrum vor Ort.

Welche Situation hat dich besonders beeindruckt?  

Auch privat war es für mich herausfordernd, da ja auch mein Land mit der Lage etwas zu tun hat. Ich habe viel mit Frauen gearbeitet, die allein gekommen sind. Viele haben geweint, wenn sie nicht wussten, wo ihr Mann ist und sie keinen Kontakt mehr hatten. Es gab auch immer wieder Gerüchte über Verschleppungen nach Russland. Ich musste daher auch häufig nicht nur sozialpädagogisch, sondern auch psychologisch unterstützen. Es gab wirklich viele Fälle, die mich berührt haben. Es gab auch immer wieder Menschen, die in meine Beratung gekommen sind, die gesagt haben, sie seien jetzt bei irgendwelchen Menschen untergebracht, aber sie würden spüren, dass sie nicht so herzlich willkommen sind. Vielleicht war das für die Menschen auch etwas zu schnell, dass sie sich entschieden haben einer Familie eine Unterkunft anzubieten. Es sind eben doch fremde Menschen, aus einer anderen Kultur. Für viele war es daher auch wichtig möglichst schnell etwas anderes und eigenes zu finden. Aber das ist bekanntlich ja nicht so einfach in Berlin. 

Nimmst du eine Veränderung in der Situation der Geflüchteten zwischen März/April und heute wahr?

Ich kann sagen, ich bin sehr beeindruckt wie schnell die Menschen sich hier gefunden haben. Es gibt wirklich viele, gerade Männer, die hier schon arbeiten. Viele sind wirklich fit. Sie kommen zu mir und lassen sich beraten. Sie möchten sich schnell integrieren und wieder auf eigenen Beinen stehen. Aber viele sagen auch, dass sie es sich hier anders vorgestellt hatten. Die Bürokratie ist eine Herausforderung. Aber ich sehe in jedem Fall eine positive Entwicklung.  

Wo siehst du Bereiche und Bedarfe bei den ukrainischen Geflüchteten, wo Gemeinden gut unterstützen können?

Ich denke der erste Punkt ist die Unterstützung bei der Suche nach Wohnungen. Die eigene Wohnung ist so wichtig, um viele andere Dinge besser sortiert zu bekommen. Insgesamt könnte damit alles schneller sein, auch mit der Schule und mit der Arbeit. Deutsch lernen. Ein eigener Platz, wie eine Wohnung oder ein Zimmer, Klarheit für die kommenden Monate, das macht so einen großen Unterschied.

Das Interview wurde geführt von Mounaim Katir, Beauftragter für Flucht und Integration in den Ev. Kirchenkreisen Neukölln und Tempelhof-Schöneberg.