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Wenn es knirscht in Familien: EFB Lübbenau wird 25

200 Fälle in mehr als 2000 Stunden pro Jahr – die Erziehungs- und Familienberatungsstelle Lübbenau hilft, wenn es kracht. Ziel ist die Entlastung der Kinder. Sie leiden am meisten unter streitenden Eltern, sagt Leiterin Petra Boschan. Die Sozialpädagogin hat die EFB vor 25 Jahren mit aufgebaut. Seitdem hat die Zahl der Beratungen erheblich zugenommen.

Petra Boschan in der Familienberatungsstelle Lübbenau

Gilt heute wie vor 25 Jahren: Es ist sinnvoll, sich früh Hilfe zu holen, rät Sozialpädagogin Petra Boschan (Foto: Diakoniewerk Simeon).

Frau Boschan, was sind Grundlagen, um Probleme zu lösen?
Veränderungswillen und Selbstreflexion sind eine Basis, um Konflikte anzugehen, außerdem das Besinnen auf die eigenen Ressourcen. Viele Familien können ihre Probleme damit lösen. Und wer Unterstützung braucht, kann sich an uns wenden. Manche scheuen sich, weil sie denken: „Ich muss da so viel erzählen“. So ist es nicht. Die Familie entscheidet, was sie bearbeiten will und was nicht. Manche schämen sich. Der Glaube 'das muss ich alleine hinkriegen' sitzt tief. Doch es ist sinnvoll, sich früh Hilfe zu holen.

Wann beraten Sie?
Zum Beispiel bei Fragen zur Erziehung und zur Entwicklung des Kindes: Es akzeptiert keine Grenzen mehr, hat Schulprobleme oder zieht sich zurück. Oder es knirscht im Zusammenleben, seitdem die Mutter einen neuen Partner hat. Wir schauen gemeinsam: Was war der Auslöser? Was benötigt jede*r Einzelne, damit es sich wieder besser zusammenfügt? Manche Eltern brauchen nur Bestätigung in dem, was sie tun. Ein Coaching sozusagen. Andere möchten an ihrer Paarbeziehung arbeiten oder sich im Guten trennen. Diesen Eltern bieten wir zum Beispiel unsere Trennungsgruppen für Eltern und Kinder an.

Sie machen Einzel- aber auch Paar- und Familientherapie. Auch schon mit Kleinkindern?
Therapie kann man mit Kleinkindern noch nicht machen aber wir beziehen sie ein, indem sie spielen und wir beobachten: Auf wen geht das Kind zu, wie reagieren die Geschwister, wer ist auf dem Sprung, wer fühlt sich gar nicht angesprochen. Familiäre Beziehungen müssen nicht unbedingt verbalisiert werden.

Als Sie die Beratungsstelle 1995 aufgebaut haben, waren freie Angebote für Menschen mit psychischen Problemen erst im Entstehen. Haben Sie das gespürt?
Sehr. Wir wurden mit Anfragen überrannt, denn es gab kaum Alternativen. Schließlich bekamen wir eine Stelle dazu und haben uns dafür eingesetzt, dass sich in Lübbenau Psychotherapeut*innen niederlassen. Nach und nach entspannte sich die Situation und wir konnten uns auf Familien konzentrieren. Verglichen zu 1995 haben unsere Beratungen erheblich zugenommen und sich verändert.

Was ist heute anders?
Familie ist vielfältiger und bunter. Patchwork ist eine Bereicherung, aber auch eine Herausforderung – besonders wenn Kinder zwischen zwei Haushalten pendeln. Dieses Wechselmodell erfordert sehr viel Verbindlichkeit, Struktur und vor allem Reife bei den Erwachsenen. Wenn Eltern streiten, leiden die Kinder immer. Sie versuchen zu vermitteln, werden beeinflusst oder geraten in Loyalitätskonflikte und im schlimmsten Fall werden sie krank. Davor wollen wir Kinder schützen.

Sind Trennungen heute heftiger?
Die meisten Eltern bewältigen ihre Trennung sehr gut. Schwierig wird es, wenn andere Probleme hinzukommen oder Eltern zusätzlich durch Depressionen, Ängste oder Suchterkrankungen belastet sind. Gibt es dann noch einen Rechtsstreit, wird’s heftig. Solche Fälle kommen oft auf richterliche Anordnung zu uns. Und wir nehmen uns hier Zeit. Zehn Stunden, zwanzig Stunden, mit zwei Beraterinnen im Co-Team. Wir arbeiten an der Kommunikation und idealerweise verstehen sich die Eltern danach besser und es entsteht am Ende eine Umgangs- oder Sorgerechtsvereinbarung.

Schauen Sie auch nochmal auf die vergangene Beziehung?
Wenn die Eltern das wollen, machen wir das. Grundsätzlich arbeiten wir anliegenzentriert, also an dem, was die Ratsuchenden mitbringen. Es macht Sinn, Verletzungen wie Kränkungen, Seitensprünge oder Gewalterfahrungen aufzuarbeiten, die nachwirken.

Welche Rolle spielt die Diakonie als Trägerin für Ihre Arbeit?
Wir arbeiten ungeachtet der Konfession und verdeutlichen das in jedem Erstgespräch. Ich persönlich finde es wichtig, auch Menschen ohne Kinder zu unterstützen, was uns dieser Träger ermöglicht. Für mich ist es Teil des diakonischen Auftrags, niemanden wegzuschicken. Das wissen die Menschen in Lübbenau und Umgebung.

Weitere Informationen
Die Evangelische Erziehungs- und Familienberatungsstelle Lübbenau wurde 1995 gegründet. Handlungsgrundlage ist das Kinder- und Jugendhilfegesetz. Die Hälfte der Fälle bezieht sich auf Trennung und Scheidung, die andere auf Erziehungsfragen. Ein kleiner Teil Lebensberatung wird für Menschen ohne Kinder ermöglicht. Neben Beratung und Therapie bietet die EFB Trainings zu Grenzsetzung, Bindungsaufbau, Geschwisterbeziehung oder kindlichen psychischen Störungen sowie Gruppenangebote für Kinder und Eltern in Trennung an. Das Team besteht aus Mitarbeiterinnen der Fachrichtungen Psychologie, Pädagogik und Sozialarbeit mit den Schwerpunkten Systemische Therapie, Paartherapie, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie, Erziehungsberatung, Ehe-Familien- und Lebensberatung.